EIN SCHEMA IST TOT.
EIN SYSTEM IST LEBENDIG.
Christopher Knaus
„In meinen Arbeiten untersuche ich die verschiedenen Wirkungen und Zustände, die Gruppen und Individuen haben – und wie sie sich verhalten, wenn einzelne oder mehrere Parameter gezielt verändert werden. Soziologische Themen finden so formal-ästhetische Äußerung. Dazu erweitere ich formgebende Collagen zu konzeptuellen Werkreihen, die festen Regeln folgen und von gegebenen, inneren Zusammenhängen geprägt sind – nichts ist Zufall.
Die minimalistische Erscheinung meiner Arbeiten gibt den Blick frei auf die komplexen Bezüge. Die scheinbar einfache Wirkung erweist sich oft als gegensätzlich zum Inhalt. Die Klarheit der Materialität verstärkt die Verdeutlichung der Themen, wobei die Konzepte der Serien auf mehreren Ebenen angelegt sind:
– Unterschiede ähnlicher Einzelformen zu differenzierbaren Umrissformen
– Eigenschaften und Abgrenzungen von Gruppen und Individuen
– Einfluss von Anzahl, Nähe und Abstand
– Veränderung der Wirkung bei ausgewählten Teilbereichen
– serielle Verdichtung zur Steigerung der Wahrnehmungsintensität
So entstehen in komplex konzipierten Werkgruppen Collagen, Prägedrucke in Bütten, Objekte aus Holz, aus Draht wie aus Stahl, kleine Acrylmalereien, große Siam-Collagen und umfangreiche Serien von Zeichnungen auf Papier. Die neuesten Arbeiten beziehen zudem erstmals Zeit als Dimension in mein Werk ein.
Gemeinsam ist all diesen Werkgruppen, dass sie von visueller Stille geprägt sind, dass sie sich selbstreferenziell aufeinander beziehen und inhaltlich wie formal untereinander eng verbunden sind.“
Werkgruppen
Die collagierten Kapselbilder sind der Ursprung. Von Hand plattiert, die Binnenzeichnungen der Prägungen aufbereitet und dann mit der ursprünglichen Innenseite nach oben in abstrahierter Wirkung collagiert: Was in der ursprünglichen Funktion schützend nach innen gerichtet war, richtet sich nun nach außen zum Betrachter.
Diese silbern schimmernden Collagen sind Ausgangpunkt für die folgenden Übertragungen und Erweiterungen in weitere Werkgruppen – mit anderen, stets bezugnehmenden Materialien, in anderen Größen, in formal streng abgeleiteten Proportionen und mit veränderten konzeptuellen Inhalten.
Nach Reduzierung von Kapselbildern auf den Umriss werden sie zu Edelstahl-Silhouetten, die sich dann über ihre Eigenständigkeit hinaus zum Druckstock für die Blindprägungen in Büttenpapier entwickeln. Weitere Werkgruppen sind die Bilder der Diamantreihe mit Diamond Parcel Paper, die dreidimensionalen Weinkisten sowie – erneut selbstreferentiell zu je einem Kapselbild – die leichten Überlagerungen aus Siam-Papier, die sich frei definierenden Bodenskulpturen aus Stahl, die 225 Zeichnungen umfassende Reihe der Tin-Abriebe sowie – ebenfalls Ausschnitte aus bestehenden Werken – die kleinen, collagierten Acryl-Malereien der Demi-Objektrahmen. Die aktuellsten Serien sind die zeitbasierten Blätter Zeitspiegel sowie ihre fotografischen Abbildungen 4D, bei denen ein skulpturaler Prozess in einen plastischen überführt wird.
Grundlage – Adaption.
Entwicklung – Fortschreibung.
Freiheit – Gebundenheit.
Nähe – Abstand.
Gleichheit – Vielfalt.
Ausgangspunkte eines Systems:
Einerseits in ihrer Entstehung unabhängig, andererseits in der folgenden Adaption bindend durch ihre Gegebenheiten. Scheinbar Gegensätzliches bildet so die logische, konzeptuelle Grundlage aller Werkgruppen.
Entwicklung von Zuständen und deren Fortschreibung:
Ein Status – hier: die vorherige dingliche Bestimmung – wird durch eine andersartige Weiternutzung überwunden und in gefasster Definition und Konzeption fortgeschrieben.
Freiheit und Gebundenheit von Materialität:
Die Weinwelt ist als Grundlage frei gewählt und wäre demnach (für ein anderes System) als solche austauschbar. Nach ihrer Wahl und Festschreibung sind jedoch die ihr eigenen Materialien bindend und (innerhalb dieses Systems) nicht durch weltfremde Stoffe erweiterbar.
Betrachtung und Wirkung:
In einer Aktualität von schnell erfassbarer Großflächigkeit führt die Notwendigkeit einer Betrachtungsnähe zu ruhigem Erkennen. Ähnlichkeit, Vielfalt, Zugehörigkeit, Abstand und Beziehung werden zu solchen Erkenntnissen – auf sich bezogen und sozial, wie ebenso formal und ästhetisch.